Interview mit Bildhauer Raphael Strauch

Der Bildhauer Raphael Strauch verbrachte die ersten Jahre seiner Kindheit in Bad Lippspringe. Seine Mutter kam aus Schlangen und sein Vater aus Bad Lippspringe. Ab 1980 arbeitete er in der Denkmalpflege als Restaurator und 1993 begann er seine Arbeit als freier Künstler und Bildhauer. Theorie und Praxis der Bildhauerei eignete er sich autodidaktisch an. Während seiner mittlerweile jahrzehntelangen bildhauerischen Tätigkeit fertigte er beeindruckende eigene Skulpturen an, wie zum Beispiel das bronzene, zwei Meter hohe Glasmacherdenkmal in Bad Driburg und führte unzählige bedeutende restauratorische Arbeiten durch, wie beispielsweise die innerhalb der Denkmalpflege renommierte, siebenjährige Rekonstruktion des Hochaltars in der Paderborner Marktkirche.

Raphael Strauch arbeitet in seinem eigenen Atelier in Willebadessen und fertigte auch die Tiere am ehemaligen Friedhof in Schlangen auf der Strecke des vor kurzem eröffneten Familienradweges. Bald wird auch sein Demonstrationszug der Tiere in Schlangen zu sehen sein. Die roten Tierskulpturen sollen auf das Thema Artenschutz aufmerksam machen.

 

Herr Strauch, wie kamen Sie eigentlich zur Bildhauerei?

Eines Tages sollten in der Restaurationsfirma, in der ich früher arbeitete, Modelle angefertigt werden. Da sprach man mich darauf an, weil man wusste, dass ich sowas auch kann. Also begann ich an diesen Modellen zu arbeiten und entdeckte dabei mein Talent und meine Begeisterung für die Bildhauerei.

 

Was ist für Sie der Reiz an der künstlerischen Arbeit als Bildhauer?

Ich liebe es Formen zu schaffen und das aus einem Material, das mich überdauern wird. Und die Herausforderung aufgrund der Zähigkeit des Materials und der eigenen bildhauerischen Fähigkeiten ein bestmögliches Ergebnis zu schaffen. Man lernt an jedem Stück. Ich liebe es zu lernen und besser zu werden. Wenn ich mit einer Skulptur fertig bin, bin ich allerdings zunächst nie zufrieden, sondern erst mit etwas Abstand zu meiner Arbeit.

Darüber hinaus sind meine Arbeitsbereiche auch abwechslungsreich und vielseitig: freie Kunst, stilechte Bildhauerei und Restaurierung. Die freie Kunst ist sozusagen mein eigenes geistiges Gut. Dabei setze ich meine Ideen um und kann mich künstlerisch verwirklichen, was natürlich einen besonderen Reiz ausmacht und mir sehr am Herzen liegt. 

Die stilechte Bildhauerei und Restaurierungsarbeiten beinhalten die Rekonstruktion renommierter Werke. Dabei muss ich mich im übertragenen Sinn in die Handschrift des damaligen ausführenden Bildhauers einlesen und zum Beispiel durch Kriegsverlust verloren gegangene Figuren schließlich wiederherstellen. 

Mit der stilechten Bildhauerei und meinen Restaurierungsarbeiten trage ich meinen Teil zur Erhaltung wichtiger Kunstwerke bei, was mir ein wichtiges Anliegen ist.

 

Wie kann man sich die Arbeitsweise eines Bildhauers vorstellen?

Bildhauerei ist materialreduzierendes Arbeiten, da wir Bildhauer ja aus einem Block Stein, Holz oder Marmor Material herausschlagen bis eine Form sichtbar wird.

Schon Michelangelo sagte: „Ich haue nichts in den Stein, sondern haue Störendes aus dem Stein weg und mache damit Verborgenes im Stein sichtbar.“ Als Künstler sehe ich schon, was in dem Materialblock drin ist, weil ich eine Vision des fertigen Kunstwerkes habe. Wenn man Figuren der Bildhauerei betrachtet, ist einem oft vielleicht gar nicht bewusst, dass diese Figur aus einem Materialblock entstanden ist.

Zu Beginn eines Projekts steht zunächst die Skizze. Anschließend fertige ich Kleinmodelle, z.B. Bozetti (dreidimensionale Skizze) oder auch etwas größere Modelle. Die Modelle sind entweder Vorlage für Güsse in Bronze oder Kunststein oder für eine bildhauerische Umsetzung aus Naturstein oder Holz. 

Bei der Bildhauerei müssen am Block dann die groben Konturen mit Knüpfel, Spitzeisen und Presslufthammer herausgearbeitet. Dabei muss man auf die Proportionsverteilung der geplanten Skulptur im Stein achten. Bei der anschließenden feineren Detailarbeit werden die Werkzeuge auch kleiner und feiner.

 

Woran arbeiten Sie momentan?

Im Moment arbeite ich zum Beispiel an einer Neuanfertigung des gotischen Wasserspeiers des Magdeburger Doms (13. Jhdt.) und an zwei eigenen Arbeiten. Die eine hat den Titel „Mutter Erde“. Mutter Erde stelle ich hier als weibliche Gestalt dar. Auf dem Sockel dieser Arbeit ist die Evolutionstheorie dargestellt. 

Die andere Skulptur in Arbeit ist die Plastik „Dana und der Löwe“. Diese ist ein Dialog zwischen physischer und psychischer Größe. Der männliche Löwe symbolisiert physische Dominanz. Dem wollte ich die psychische Kraft in Form der Frau Dana gegenüberstellen, die dem Löwen ganz locker die Hand reicht und eine solche Ruhe ausstrahlt, dass sich auf ihrer anderen Hand sogar ein Schmetterling niederlässt. Dadurch stelle ich die geistige, seelische Größe des vermeintlich zarteren Wesens der Frau dar.

 

Welche Ihrer Skulpturen liegt Ihnen besonders am Herzen?

Ich denke, dass der Demonstrationszug der Tiere ein bedeutendes Objekt ist, weil er Bewusstsein für Natur und Umwelt sowie die Bedeutung des Artenschutzes vor unserer Haustür schafft. Außerdem interessieren sich sowohl Erwachsene als auch Kinder für die Tiere und erfreuen sich daran. Zwei ältere Herren erzählten mir zum Beispiel auch einmal, dass sie sich, nachdem Sie den roten Igel des Demonstrationszuges sahen, über den Gartenzaun darüber unterhalten haben, wann sie das letzte Mal einen Igel gesehen haben. Anhand solcher Geschichten merke ich, dass der Demonstrationszug der Tiere etwas bewirkt. Er soll die Menschen spielerisch an das Thema Artenschutz heranführen. (dr)