Von einer germanischen Sage umgeben und von Fledermäusen bewacht.

(dr) Naturfreunde aufgepasst: Für unseren nächsten Lost Place stapfen wir in das Waldgebiet zwischen Schlangen und Feldrom. Wir machen uns an einem schönen Augusttag auf, um unseren Entdeckungsdurst mit der Erkundung der Bielsteinhöhle und dem in der Nähe gelegenen Lukenloch zu stillen.

Kurz nachdem wir den Wald betreten haben, kommen uns zwei Männer entgegen, die mit einem großen Holzwanderstock und langen Gewändern bekleidet sind – vielleicht zwei alte Germanen, die ebenfalls die Bielsteinhöhle oder das Lukenloch aufgesucht haben? Nach etwa dreißigminütigem Marsch durch den Wald, bei dem es immer wieder bergab und bergauf geht, erreichen wir endlich das erste Ziel unserer Entdeckungsbegierde: das Lukenloch. Die trichterförmige Höhle von etwa 10 x 5 x 5 Metern Größe entstand durch die Kohlensäure von versickertem Regenwasser und Grundwasser, welche im Laufe der Jahrhunderte den Kalkstein im Waldboden auflöste. Dies hatte unterirdische Hohlräume zur Folge. Diese Hohlräume stürzten mit der Zeit wiederum ein, wodurch sich schließlich das heute bestehende, mehrere Meter tiefe Lukenloch formte. 

Das Betreten der Höhle ist untersagt, da hier ebenfalls Fledermäuse ihr Zuhause haben, die sich in der kalt-feuchten Luft des Lukenlochs pudelwohl fühlen. 

Tatsächlich zählen die Höhlen und Felswände hier in der Gegend zu den wichtigsten Fledermauswinterquartieren in ganz Ostwestfalen.

Passend zu unserer Begegnung mit den zwei germanenartigen Gestalten am Anfang besagt die Legende, dass die Sachsen bis etwa 772 n. Chr. hier ein sagenumwobenes Heiligtum aufbewahrten: die Irminsul, welche die heilige Weltenesche der alten Germanen darstellte und nach dem germanischen Kriegsgott Irmin benannt war. Der Sage nach trägt die Weltenesche auf zwei ausgebreiteten Armen das Himmelsgewölbe. Sie war außerdem ein Symbol, das für die alten Germanen eine Bedeutung hatte, die mit dem Kreuz für die Christen vergleichbar ist. Wurde die Irminsul vielleicht gar nicht von Karl dem Großen zerstört, sondern befindet sich – von Fledermäusen besetzt – vielleicht noch irgendwo da unten im Lukenloch? Schwer vorstellbar, dass die Irminsul, die eigentlich eine hohe Säule gewesen sein soll, hier hineingepasst haben soll. Vielleicht war das Lukenloch zur Zeit der Germanen ja gar nicht Aufbewahrungsort, sondern einfach nur Standort einer solchen Säule?

Nach einiger Zeit des Suchens erreichen wir unsere zweite Station – die Bielsteinöhle. Vor unseren Augen erstreckt sich die etwa 300 Meter lange, imposante Bielsteinschlucht: auf der linken Seite eine bis zu 15 Meter hohe, steile Felsformation aus Kalkstein und daneben die Schlucht mit umherliegenden Baumstämmen auf einem schmalen Trampelpfad– ein herrlich uriger Anblick. Doch genau in dem Augenblick, als wir die ersten Schritte hinab in die Schlucht machen, ergießt sich fast aus heiterem Himmel ein enormer Wolkenbruch über uns. Wollen uns etwa die alten Germanengötter auf diese Weise von der Erkundung der Bielsteinhöhle abhalten? Völlig durchnässt finden wir schließlich die Höhle, die zu prähistorischen Zeiten offenbar Flucht- oder auch Siedlungsstätte war. Ein Schild erklärt, dass auch diese Grotte heute von Fledermäusen bewohnt wird, die man nicht stören soll. Das passt uns ganz gut, da wir rein zufällig unsere professionelle Höhlenerkundungsausrüstung zuhause vergessen haben. Auch erscheint uns die Aussicht darauf, beim Betreten der Höhle von hunderten Fledermäusen oder vielleicht sogar Dracula persönlich auf seinem jährlichen, ostwestfälischen Urlaubstrip umflattert zu werden, als nicht sehr erstrebenswert. 

Aber auch ohne dem Fürsten der Finsternis die Hand zu schütteln und ohne Erkundung der Höhle hat sich der Ausflug gelohnt – schon allein aufgrund der imposanten Felsformation der Bielsteinschlucht und der sagenumwobenen Historie des Lukenlochs.

 

Foto: Anno Krewet